Depression

D

Abstammung: latein: deprimere – herunterdrücken
Englisch: depression
ICD-10 Klassifikation: F32.-, F33.-

Eine Depressions (auch unipolare depressive Störung) ist ein Krankheitsbild, das durch eine Veränderung der Stimmung (➜ zum negativen Pol) gekennzeichnet ist. Es handelt sich hier, mit knapp 65%, um das häufigste Krankheitsbild einer affektiven Störung. Zu den Leitsymptomen gehören eine gedrückte Stimmung sowie ein Antriebs- und Interessenverlust.

Epidemiologie von Depressionen

Die große Anzahl der Patienten kämpft früher oder später mit Suizidgedanken
➜ 10 bis 15% aller Patienten mit wiederkehrenden schwerer depressiven Phasen sterben durch Suizid.

  • Prävalenz: ca. 8% der Allgemeinbevölkerung in Deutschland erkranken an einer Depression, Bei Verwandten 1. Grades einer erkrankten Person liegt das Risiko selbst zu erkranken bei bis zu 30%, bei eineiigen Zwillingen bei ca. 50%
  • Risiko: ein erhöhtes Risiko besteht für Personen aus sozial schwachen Bevölkerungsschichten, in städtischem Wohnumfeld, ohne enges soziales Umfeld
  • Erstmanifestation: ca. 50% der Patienten erkranken vor dem 31. Lebensjahr, nach dem 60. Lebensjahr nimmt das Risiko um 10% ab, Frauen erkranken früher als Männern
  • Geschlechterverteilung: Frauen > Männer (2:1)

Ursachen einer Depression

Bei einer Depression liegt in der Regel das Zusammenwirken mehrerer Faktoren vor. In wie weit erbliche und umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen kann individuell unterschiedlich sein. Als Basis für eine Depressionserklärung gelten:

  • Genetische Faktoren
  • Neurobiologische Faktoren
  • Psychische Faktoren

Genetische Faktoren

  • Vermehrtes Vorkommen im familiären Umfeld (➜ siehe auch: Epidemiologie von Depressionen)
  • Vulnerabilität kann vererbt werden
  • Keine Erkenntnisse über spezifische Gene

Neurobiologische Faktoren

  • Monoamin-Mangel-Hypothese ➜ Relatives Defizit von Monoaminen (Noradrenalin, Serotonin und Dopamin)
  • Cholinerg-aminerge Imbalance-Hypothese ➜ Relatives cholinerges Übergewicht
  • Glutamat-Hypothese ➜ Überaktivität des glutamatergen Systems
  • Neurotrophin-Hypothese ➜ Defizit an neurotrophen Faktoren
  • Erhöhte Cortisolwerte bei depressiver Symptomatik
  • Schlaf und zirkadiane Rhythmik (z.B. chronische Insomnie)

Psychische Faktoren

  • Kognitive Triade (nach Beck) ➜ Negativ verzerrtes Bild von sich selbst der Zukunft und der Umwelt
  • Erlernte Hilflosigkeit (nach Seligman) ➜ In subjektiv unkontrollierbaren und aversiven Situationen wird eine Hilflosigkeit empfunden die auf ähnliche, folgende Situationen projeziert wird
  • Dysfunktionale Kognitionen ➜ Leistung und Motivation sind negativ beeinflusst
  • Verlust positiver Verstärkerquellen (Verstärkerverlust), die dem Wohlbefinden dienen
  • Störung in frühen Entwicklungsphasen ➜ Unsicheres und leicht verletzbares Selbstwertgefühl, übertriebenes Streben nach Bindung, ungünstige Lösung von Konflikten
  • Kindheitserfahrungen ➜ Trennungs- oder Verlusterlebnisse, wenig bis keine emotionale Zuwendungen
  • Interpersonelle Faktoren ➜ Gestörte und fehlende soziale Beziehungen
  • Soziales Umfeld ➜ Niedriger sozialer Status, städtisches Wohn- und Lebensumfeld

Symptome einer Depression

8 häufige Symptome einer Depression

Hauptsymptome

Als Hauptsymptome einer Depression gelten nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10:

  • Gedrückte (depressive) Stimmung (kann als Gefühl der Gefühllosigkeit vorliegen)
  • Interessenverlust, Freudlosigkeit
  • Verminderter Antrieb, gesteigerte Ermüdbarkeit

Zusatzsymptome

Nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 sind häufige Zusatzsymptome:

  • Schlafstörungen
  • Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
  • Verlust von Selbstvertrauen und/oder des Selbstwertgefühls
  • Wiederholtes Denken an Suizid, Tod oder suizidales Verhalten
  • Appetitlosigkeit (Inappetenz) oder gesteigerter Appetit (➜ Gewichtsveränderung)
  • Vermindertes Konzentrations- und Denkvermögen
  • Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit
  • krankhafte Unruhe (Agitiertheit) oder psychomotorische Hemmung

Psychotische Symptome

  • Depressiver Stupor
  • Halluzinationen
  • Wahnideen (➜ Schuldwahn, Hypochondrischer Wahn, Nihilistischer Wahn, Verarmungswahn, Beziehungswahn)

Somatisches Syndrom

Liegten zusätzlich mindestens 4 der folgenden Symptome vor, liegt ein zusätzliches somatischen Syndrom vor.

  • Deutlicher Interessen- oder Anhedonie (Freudverlust)
  • Mangelnde Fähigkeit, auf Ereignisse oder Aktivitäten emotional zu reagieren, die normalerweise eine Reaktion hervorrufen
  • Früherwachen (≥2 Stunden vor der gewohnten Zeit)
  • Morgentief
  • Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit
  • Deutliche Appetitlosigkeit (Inappetenz)
  • Gewichtsverlust: ≥5% des Körpergewichts im letzten Monat
  • Deutlicher Libidoverlus

Schwere depressive Episoden (➜ siehe Einteilung einer Depression) treten meist gemeinsam mit einem somatischen Syndrom auf.

Einteilung der Depression

Nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 (International Classification of Diseases) wird eine Depression wie folgt eingeteilt:

Leichten depressiven Episode

  • Mindestens zwei Hauptsymptome müssen vorliegen
  • Zwei Zusatzsymptome müssen diagnostiziert werden
  • Die Symptome halten mindestens über zwei Wochen an

Mittelgradig depressiven Phase

  • Zwei Hauptsymptome müssen vorliegen
  • Mindestens drei, höchstens aber vier Zusatzsymptome liegen vor
  • Die Symptome halten mindestens über zwei Wochen an

Schwere depressive Episoden

  • Alle drei Hauptsymptome müssen vorligen
  • Mindestens vier zusätzliche Symptome sind vorhanden
  • Die Symptome halten mindestens über zwei Wochen an

Diagnostik einer Depression

Nicht bei jeder gedrückten Stimmung liegt eine behandlungsbedürftige Depression vor. Daher ist eine Abgrenzung eines depressive Krankheitsbilds von normalen und vorübergehenden Verstimmungszuständen und von echter Trauer wichtig. Da die Übergänge meist fließend sind, müssen bestimmte Kriterien vorliegen, um eine behandlungsbedürftige Depression zu diagnostizieren.

Exploration

  • Allgemeine Untersuchung
    Erhebung eines psychopathologischen Befundes sowie Druchführung einer psychiatrischen Anamnese (Medikamentenanamnese, Suchtanamnese, Sozialanamnese, Suizidanamnese)
  • Gezielte Untersuchung
    Hauptsymptome, Zusatzsymptome, psychotische Symptome, Merkmale des somatischen Syndroms sowie Symptomdauer und -verlauf werden aktiv erfragt

Ausschluss organischer Faktoren

Ursächlich für eine vielzahl somatischer Erkrankungen können für eine depressive Symptomatik sein (➜ organische depressive Störung). Liegen neu aufgetretene, schwere depressive Symptome vor, sollte auf die folgenden Merkmale geachtet werden:

  • Somatische Veränderungen treten zusammen mit den depressiven Symptomen auf
  • Erhebliche kognitive Defizite
  • Psychotische Symptome (z.B. Wahnvorstellungen, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen)
  • Vorausgehende somatische Erkrankungen (z.B. Hirntumore, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Hirnhautentzündung, Epilepsie, Migräne, Schilddrüsenerkrankungen)
  • Fehlen eines ursächlichen Hinweises

Vorgang zum Ausschluss organischer Faktoren:

  • Körperliche Untersuchung ➜ Internistische Untersuchung und Neurologische Untersuchung
  • Apparative Untersuchungen ➜ Routinelabor, EKG, EEG, kranielle Bildgebung (bei Ersterkrankung)

psychologische Testverfahren

Bei Vorliegen Risikofaktoren (z.B. familiäre Disposition, zurückliegende Depression) können Früherkennungs- und Screeningtests hilfreich sein. Fällt das Screening positiv aus, sollte auf die Diagnosekriterien einer depressiven Episode geachtet werden.

  • Zwei-Fragen-Test ➜ Weniger Lust und Freude an Dingen, die man sonst gerne tut?, Gefühl von Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Bedrücktheit oder Hoffnungslosigkeit im letzten Monat?
  • WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden ➜ Selbstbeurteilungsverfahren zur Einschätzung des psychischen Wohlbefindens
  • Patientenfragebogen (Patient Health Questionnaire PHQ-9) ➜ Selbstbeurteilungsverfahren mit 9 Punkten

Therapie einer Depression

  • Behandlungsbeginn: Ausführliche Psychoedukation (Angehörige miteinbeziehen), Möglichkeiten der Selbsthilfe aufzeigen, Therapieziele festlegen, Störfaktoren von Therapieempfehlungen evaluieren und adressieren
  • Auswahl der Behandlungsoptionen (abhängig von): Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient unter Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen des Patienten, Schweregrad der Depression, Verlaufsform der Krankheit, spezieller Syptomatik, Anpsrechen der Therapie und der Adhärenz

Behandlungsphasen

  • Akuttherapie
    Ziel: Deutliche Symptomlinderung, Reduktion der Mortalität (durch Suizid), Wiedererlangen der sozialen und beruflichen Teilhabe
    Dauer: ca. 6 – 12 Wochen
  • Erhaltungstherapie
    Ziel: Rückfallrisikio durch Fortsetzung der Akuttherapie minimieren
    Dauer: Medikamentöse Therapie ➜ für 6–12 Monate, Psychotherapie ➜ individuelle Dauer
  • Rezidivprophylaxe
    Ziel: Dauerhafte Verhinderung weiterer depressiver Episoden durch Fortführung der Erhaltungstherapie
    Längerfristige Pharmakotherapie: Indiziert, wenn in den vergangenen 5 Jahren ≥ 2 depressive Episoden mit erheblichen funktionellen Einschränkungen vorlagen
    Längerfristige Psychotherapie: sinnvoll bei hohem Rezidivrisiko und als Alternative zu pharmakologischer Rezidivprophylaxe

Im Anschluß an eine Akuttherapie sollte immer eine Erhaltungstherapie folgen, da das Rückfallrisiko so um knapp 70% gesenkt werden kann.

Video

Die Depression zählt in Europa zu den häufigsten Krankheiten. In Kooperation mit der Deutschen Depressionshilfe wird in diesem Video erklärt, welche Symptome sie aufweisen kann und wie sie sich behandeln lässt.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

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Stephan Wäsche
Stephan Wäsche

Gesundheits- und Krankenpfleger
LWL-Klinik Hemer

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Von Stephan Wäsche

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