Schock

S

Synonym: Kreislaufschock
Englisch: shock
ICD-10 Klassifikation: R57.-, A48.3, O75.1, T75.4, T78.-, T80.5, T81.1, T88.2

Als Schock wird ein Missverhältnis zwischen Herzminutenvolumen (Blutmenge, die das Herz in einer Minute in den Blutkreislauf pumpt) und erforderlicher Gewebedurchblutung bezeichnet infolgedessen es zu einer mangelnden Sauerstoffversorgung kommt.
Resultat: verminderte Kapillardurchblutung sowie Gewebehypoxie mit lebensbedrohlicher Störung des Stoffwechsels und der Zellfunktion. Beim Schock werden 4 häufige Schockformen unterschieden:

  • Hypovolämischer Schock
  • kardiogener Schock
  • obstruktiver Schock
  • distributiver Schock

Maßnahmen bei Schockverdacht

Leitsymptome erkennen

Ein Schock äußert sich durch Leitsymptome, die jedoch nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Wichtige Anzeichen für das Vorliegen eines Schocks sind:

  • Angst, Unruhe und Schwindel
  • Blasses, kaltes bis zyanotisches Hautbild (bei einer Sepsis tritt dies oft nicht auf)
  • Feinperliger Schweiß auf der Stirn
  • Frieren und Schüttelfrost
  • Einschränkung der Vigilanz: z.B. Verwirrung, Bewusstlosigkeit, Bewusstseinseintrübung, Teilnahmslosigkeit
  • Schneller Puls (➜ über 100 Schlägen/Min.) der zusehens schwächer wird und schließlich kaum bis gar nicht mehr tastbar ist
  • Der systolische Blutdruck (SRR) sinkt unter 80 mmHg
  • Schockindex > 1 ➜ nur bei hypovolämischen Schock (siehe auch: Schockindex berechnen)
  • Rekapillarisierungszeit (Rekap-Zeit) auch Fingernagelprobe (Hinweis auf eingeschränkte Kreislaufsituation) ➜ Der Fingernagel wird für kurze Zeit ins Nagelbett gedrückt, sodass sich dies weiß färbt. Löst man den Druck auf den Nagel und das Rosafärben des Nagelbettes dauert jetzt länger als 2 – 3 Sekunden, liegt eine Durchblutungsstörung der Extremitäten oder eine eingeschränkte Kreislaufsituation vor.
  • beschleunigte oder erschwerte Atmung (Taychpnoe oder Dyspnoe)
  • Verminderte Urinmenge (Oligurie)

Schockindex berechnen

Bei einem hypovolämischen Schock, kann die Dekompensation des Kreislaufs anhand des Schockindex erfasst werden.

Schockindex = \frac{Puls}{sys. Blutdruck}

Bewertung:

  • Schockindex ➜ gesunder Mensch ≅ 0,5
  • Schockindex ➜ Schockgefahr/Schock > 1

NOTFALL! Schock sehr wahrscheinlich bei Schweiß (3 x k) ➜ kalt, klebrig, kleinperlig + Tachykardie (schneller Herzschlag) + Apathie (Teilnahmslosigkeit)

Erstmaßnahmen bei Schock

  • Bei eingeschränkter Atmung oder bei einem Kreislaufstillstand ➜ Notruf (112) absetzen und mit der kardiopulmonalen Reanimation beginnen
  • Schockursache beseitigen (z.B. Blutstillung, Allergene entfernen)
  • Lagerung:
    • Pat. mit intaktem Bewusstsein und ausreichender Atmung in die Autotransfusionslage bringen (nicht bei kardiogenem Schock anwenden, da sonst die Last auf das Herz zunimmt) ➜ siehe auch: Autotransfusionslage
    • Stabile Seitenlage bei bewusstlosen, jedoch spontan atmenden Patienten
    • Patienten mit Atemnot oder Schmerzen im Abdomen (Bauchraum) nach Wunsch des Betroffenen lagern. z.B. Halbsitzend bei Atemnot, angezogene Beine bei schmerzhaftem Abdomen
    • Bei einem kardiogenen Schock (auch bei Verdacht) oder bei einem systolischen Blutdruck (SRR) > 100 mmHg, Patienten in die Herzbettlagerung bringen ➜ Oberkörperhochlagerung (30 – 45°) mit gleichzeitiger Beintieflagerung
  • Venöser Zugang: schnellstmöglich mehrere periphervenöse Verweilkatheter (PVK, oft auch alsViggo bezeichnet) legen ➜ je nach Schockform Flüssigkeit (z.B. isotone Kochsalzlösung) und Medikamente verabreichen. Bei schlechtem Venenstatus kann ein intraossärer Zugang hilfreich sein
  • Bei unzureichender Atmung ➜ manuelle oder maschinelle Gabe von Sauerstoff (O2)
  • Monitoring bzw. ständige Kontrolle von Atmung, Bewusstsein, Puls, Blutdruck, Hautzustand (Zyanose)
  • Rasche intensivmedizinische Versorgung / Betreuung
  • Wärmeerhalt durch Rettungs- oder Wolldecke

Autotransfusionslage

Durch diese Lagerungsart fließt das, in den Beinvenen gespeichert Blut, zurück in den Körperkreislauf und hält den Blutdruck aufrecht. Um die Lungenfunktion nicht einzuschränken, sollten die Beine nicht über 45° hochgelagert werden.

Autotransfusionslagerung (Schocklagerung)

Durchführung

  • Tieflagerung/Flachlagerung von Kopf und Oberkörper
  • Durch das Unterschieben geeigneter Gegenstände, Beine schräg nach oben lagern (Hochlagerung: ca. 45°)

Klinische Diagnostik

Auch wenn Anamnese und Symptome klar auf einen Schock hinweisen (z.B. Blutungen, Insektenstich, Schädel-Hirn-Traume), können viele Ursachen unbekannt sein. Hier ist die klinsche Sofortdiagnostik das Mittel der ersten Wahl, um mögliche Ursachen eines Schocks sicher festzustellen. Hierzu zählen folgende Untersuchungen:

  • EKG: Ausschluß ➜ Herzinfarkt, Herzrhythmusstörung
  • Röntgen-Thorax: Ausschluß ➜ Lungenödem, Pneumonie (Lungenentzündung), Pneumothorax, Hämothorax
  • Blutuntersuchung: großes Blutbild (BB), BGA (Blutgasanalyse), CRP (C-reaktives Protein), BSG (Basigin), Gerinnung, BZ (Blutzucker), Kreatinin, Elektrolyte, CK/CK-MB (Isoenzym der Creatinkinase), AST (Aspartat-Aminotransferase), LDH (Laktat-Dehydrogenase), Laktat, Lipase, Amylase, Troponin, Blutgruppe, Kreuzblut, ggf. Alkoholspiegel, toxikologische Diagnostik, Blutkulturen
  • ZVD (zentraler Venendruck): erhöhter Wert bei Rechtsherzinsuffizienz und Lungenembolie, erniedrigter Wert bei Volumenmangel
  • Röntgen Abdomen: Ausschluß ➜ Ileus (Darmverschluß), Perforation eines Hohlorgans (Hinweis: freie Luft im Bauchraum)
  • Urinstatus, Urinkultur: Ausschluß ➜ Harnwegsinfekt (HWO)
  • CT und Sonografie: Ausschluß ➜ Harnstau, Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase), Abszesse, Milzvergrößerung (Splenomegalie), Aortenaneurysma, freie Flüssigkeit
  • Liquordiagnostik: Entnahme und Untersuchung von Liquor (Hirnwasser), Ausschluß ➜ Infektionen des ZNS (z.B. beim neurogenen Schock)

Schockformen

Hypovolämischer Schock

Synonym: Volumenmangel-Schock
Ursache: Erheblicher Flüssigkeitsverlust
Abstammung: griech. hypo = “unter” und lat. volumen = “Krümmung”
ICD-10 Code: R57.1

Ursächlich für einen hypovolämischen Schock sind folgende Faktoren:

  • Blutverlust ➜ z.B. nach einem Unfall, bei einer gastrointestinalen Blutung, wird in der Medizin oft auch als “hämorrhagischer Schock” bezeichnet.
  • Plasmaverlust ➜ z.B. nach Verbrennungen, bei schweren Entzündungen
  • Wasser- & Elektrolyteverlust ➜ starker Durchfall (Diarrhoe), starkes Erbrechen, starkes Schwitzen

Verliert der Körper etwa 10% des Gesamtblutvolumens werden Gegenmaßnahmen unternommen, um die Sauerstoffversorgung lebensnotweniger Organe aufrechtzuerhalten. Hierzu kommt es, im Nebenierenmark, zu einer vermehrten Ausschüttung der Hormone Adrenalin und Noradrenalin, die für die Gefäßverengung (Vasokonstriktion) verantwortlich sind. Die Verengung der Blutgefäße geschieht vor allem in den nicht lebensnotwendigen Organen wie beispielsweise der Haut und den Muskeln ➜ da es hier zu einer Umverteilung des Flüssigkeitsvolumens kommt, spricht man von einer Kreislaufzentralisierung. Durch die Stimulation des Sympathikus (➜ unwillkürliches Nervensystem) erhöht sich der Puls (Herzfrequenz). Die Kreislaufzentralisierung und der erhöhte Puls sorgen, bei einem hypovolämischen Schock, für eine vorübergehende Blutversorgung lebenswichtiger Organe wie Herz und Gehirn.

Exkurs Kreislaufzentralisierung

Durch eine erhöhte Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin im Nebenierenmark, kommt es zu einer Vasokonstriktion um die lebenswichtigen Organe weiterhin mit Sauerstoff versorgen zu können. Die Zentralisation ist durch folgende Symptome gekennzeichnet:

  • Marmorierte (weiß-fleckige), blasse, kaltschweißige Haut
  • Eingefallenes Gesicht
  • Patient friert
  • Halsvenen sind kollabiert
  • Verlangsamte Reizreaktion
  • Starkes Durstgefühl des Patienten durch den Flüssigkeitsverlust

Erfolgt in diesem Stadium keine effektive Schockbekämpfung und sinkt der systolische Blutdruck unter 80 mmHg, kommt es zu einer Minderdurchblutung der Niere und die Urinausscheidung vermindert sich. Dies macht sich bemerkbar durch:

  • Oligurie ➜ <100 ml Harnausscheidung innerhalb 24 Std. (Erwachsener)
  • Anurie ➜ <100 ml Harnausscheidung innerhalb 24 Std. (Erwachsener)

Weiter kommt es im Bereich der Organe zu Druchblutungsstörungen, die für einen Sauerstoffmangel und schlimmstenfalls zu bleibenden Organschäden führen.

  • Umstellung des Zellstoffwechsels von aerob (mit O2) auf anaerob (ohne O2), es kommt zu einer metabolischen Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes).
  • Die Azidose sorgt für eine Schädigung der Zellen und für die Störung der Sauerstoffaufnahme des Gewebes (➜ verstärkter Sauerstoffmangel). In Folge kommt es zu einem Versagen lebenswichtiger Organe (Multiorganversagen). Am häufigsten kommt es zu einem Lugen- und akuten Nierenversagen.

Stadien

Ein hypovolämischen Schock wird in drei Stadien unterteilt. Zur Abschätzung einer Schockgefahr kann der sogenannte Schockindex Anwendung finden:

StadiumSymptome
Stadium 1
kompensiertes Stadium
• Normaler Blutdruck
• Haut: blass und feucht-kühl.
Stadium 2
dekompensiertes Stadium
• Tachykardie, systolischer Blutdruck < 100 mmHg,
• Kollabierte Halsvenen im Liegen
• Patienten haben starken Durst,
• Rückgang der Diurese ➜ Oligurie
Stadium 3
irreversibles Stadium
• Systolischer Blutdruck: < 60 mmHg,
• Puls kaum tastbar
• flache, schnelle Atmung
• Bewusstseinsstörungen
• Stark gestörte Diurese ➜ Anurie

Erstmaßnahmen

Folgende Erstmaßnahmen sind beim Vorliegen eines hypovolämischen Schocks wichtig:

  • Patient beruhigen und die Angst nehmen
  • Patient hinlegen und in die Autotransfusionslage (➜ siehe auch: Autotransfusionslage) bringen. Ausnahmen: Blutungen an Kopf-, Lungen-, oberer Magen-Darm-Trakt
  • Sauerstoff (100%): Gabe von 6 – 8 Ltr./Min, falls nötig ➜ Reanimation
  • Kritische Blutungen mit Hilfe eines Druckverbands oder durch Abdrücken/Abbinden (z.B. mit Tourniquets) stillen
  • Großlumige venöse Zugänge (ggf. ZVK) legen ➜ Infusionen zum Volumenausgleich verabreichen (NaCl, bei Blutverlust ➜ Erythrozytenkonzentrat)
  • Unterstützung des Kreislauf druch die Gabe von vasopressorisch wirkenden Katecholaminen (Noradrenalin und Adrenalin)
  • Ausgleich von Azidose und Elektrolytverlust, je nach Laborbefund
  • Überwachung der Vitalparameter via Monitoring (ggf. intensivmedizinische Überwachung)
  • Erkennen einer drohenden Schockniere und Prophylaxemaßnahmen treffen

Kardiogener Schock

Abstammung: griech. kardia = “Herz” und genesis = “Entstehung”
Ursache: unzureichende Herzleistung
ICD-10 Code: R57.8

Bei einem kardiogenen Schock liegt eine kritische Verminderung der kardialen Pumpleistung (Pumpversagen des Herzens) vor. Das Herz ist nicht mehr in der Lage, das benötigte Herzzeitvolumen (➜ HZV, Menge Blut, die pro Minute in den Blutkreislauf gepumpt wird) zur Verfügung zu stellen.

Ursächlich für einen kardiogenen Schock sind:

  • Kontraktionsschwäche
    Ursachen: Herzinfarkt, Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Fehlbildung des Herzmuskels
    Die Kontraktion des Herzens ist gestört und der nötige Druck in den Blutgefäßen kann nicht länger aufrecht erhalten werden.
  • Herzklappenstenose
    Ursache: z.B. Aortenklappenstenose
    Das Herz pumpt gegen einen erhöhten Widerstand und es kommt somit zu einer starken Druckbelastung die den Herzmuskel schädigt. Zusätzlich gelangt durch den geringeren Durchmesser der Klappenöffnung weniger Blut in die Blutgefäße.
  • Überangebot an Blut
    Ursache: z.B. gestörter Verschluß einer Herzklappe
    Es kommt durch einen Rückfluss des Blutes aus der Aorta oder der Lunge in die Herzkammer (während der Diastole) zu einer “Überfüllung” des Herzens.

Erstmaßnahmen

Folgende Erstmaßnahmen sind beim Vorliegen eines kardiogenen Schocks wichtig und zielen daruaf hinaus, das Herz zu entlasten sowie die Herzleistung zu steigern:

  • Symptomorientierte Lagerung: bei einem systolischen Blutdruck von > 100 mmHg sollte der Oberkörper hoch, und die Beine tief gelagert werden. Liegen die Blutdruckwerte darunter, reicht meist eine leichte Oberkörperhochlagerung oder die flache Rückenlagerung.
  • Sauerstoffsubstitution: beispielsweise 100%, 6 – 8 l/Min., ggf. ist eine kardiopulmonale Reanimation (Herz-Lungen-Wiederbelebung) nötig.
  • Pumpleistungsunterstützung: Das Herz wird durch die Gabe von Dopamin- oder Dobutamin unterstützt (meist über Perfusoren). Hilfreich kann auch die Behandlung mit Diuretika (z.B. Furosemid oder Torasemid) sein.
  • Therapie von Herzrhythmusstörungen
  • Ursachenbehandlung: z.B. Lysetherapie (➜ Enzym zur Auflösung eines Blutgerinnsel (Thrombus)) oder Antikoagulanzientherapie (➜ medikamentöses verlangsamen der Blutgerinnung)
  • Wärmeerhalt: kühlt der Patient aus, erhöht sich der Sauerstoffbedarf
  • Reduzierung des Sauerstoffbedarfs durch Analgosedierung

Cave: Bei einem kardiogenen Schock muss der Oberkörper hochgelagert werden, damit es nicht zu einer zusätzlichen Belastung des Herzens kommt. Die Autotransfusionslage ist hier kontraindiziert!

Obstruktiver Schock

Abstammung: latein.: obstruere = “verschließen
Ursache: Blutfluss an einer Stelle stark eingeengt

Bei einem obstruktiver Schock kommt es zu einer Blockade des Herzens oder größerer Blutgefäße. Die Symptome unterscheiden sich kaum vom denen des kardiogenen Schocks, die Therapie weicht jedoch ab, da sie auf die die Beseitigung der ursächlichen Blockade fokussiert.

Zu den Ursachen der obstruktiven Schockform zählen unter anderem:

  • Lungenverletzungen, -erkrankungen
    Es kann zu einer Behinderung des venösen Blutrückfluss zum Herzen kommen (z.B. bei einem Pneumothorax).
    Ebenfalls kritisch ist die Rückstauung des Blutes in das Herz (z.B. bei einer Lungenembolie).
  • Herzeinengung
    Das Herz wird durch einen Erguss oder eine Blutung im Perikard (Herzbeutel) eingeengt. Eine Herzverengung kann ebenfalls durch eine Entzündung (konstriktive Perikarditis) entstehen. Da sich hier die Herzkammern nicht mehr ausreichend mit Blut füllen können, kommt es zu einer stark eingeschränkten Pumpleistung des Herzens.
  • Gefäßeinengungen
    Ursächlich für Verengungen von Gefäßen sind häufig Tumore. Bei einer vorliegenden Schwangerschaft kann ein Vena-cava-Kompressionssyndrom (➜ Gebärmutter mit dem ungeborenen Kind drückt auf die untere Hohlvene) für eine Einengung sorgen.
  • Aortendissektion
    Durch einen Riss in der inneren Schicht der Hauptschlagader (Aorta), dringt Blut in die Gefässwand ein und spaltet diese auf. Es kommt zu einer Verengung der Schlagader und weiter zu einer Blockade des Blutfluss der abgehenden Blutgefäße ➜ mangelnde Durchblutung wichtiger Organe.
  • Arteriosklerose großer Blutgefäße
    Eine Verengung der Arterien durch Ablagerungen sorgt für einen Gefäßverschluss und eine Minderdurchblutung wichtiger Organe.
  • Perikardtamponade
    Lebensbedrohliche Kompression des Herzens aufgrund eines erhöhten intraperikardialen Drucks ➜ Störung der Ventrikelfüllung mit Reduktion des Schlagvolumens

Cave: Häufig lassen sich obstruktiver und kardiogener Schock aufgrund der ähnlichen Symptomatik kaum unterscheiden!

Erstmaßnahmen

Auch bei einem obstruktiven Schock kommen die Erstmaßnahmen des kardiogenen Schocks zum Einsatz. Darüber hinaus sind folgenden Maßnahmen wichtig:

  • Perikardpunktion: Notfallmäßige Entlastung bei einer Perikardtamponade
  • Lysetherapie: Auflösung eines Blutgerinnsel (Thrombus) beim Vorliegen einer Lungenembolie
  • Pleuradrainage: Entfernung der Luftansammlung im Pleuraspalt bei einem Pneumothorax
  • Blutdrucksenkung: bei einer Aortendissektion sollte der Blutdruck gesenkt werden, häufig ist eine sofortige Operation notwendig
  • Vasodilatation: Medikamentöse Erweiterung der Blutgefäße bei Gefäßeinengungen

Distributiver Schock

Abstammung: latein.: distribuere = “einteilen, ordnen
Ursache: Fehlverteilung des Blutes in den Gefäßen

Bei einem distributiven Schock (Verteilungsschock) kommte es, trotz eines normalen Blutvolumens und vorerst ausreichender Herzleistung, zu einem Versacken des Blutes in den kleineren weitgestellten Blutgefäßen. Heraus resultiert eine mangelnde Sauerstoffversorgung des Gewebes durch eine Mangeldurchblutung der kleineren Blutgefäße und Kapillaren.

Zu den Unterformen eines distributiven Schocks zählen:

  • septischer Schock
  • anaphylaktischer Schock
  • neurogener Schock
  • orthostatischer Schock

Septischer Schock

Abstammung: altgriech. sēpsis = “Fäulnis”
Ursache: Schock im Rahmen einer Sepsis

Bei einem septischen Schock liegt vor allem eine schwere bakterielle Infektion vor. Hierbei kommt es, durch die Freisetzung von Bakterientoxinen, zu einer Weitstellung der Blutgefäße. Trotz des anfänglich hohen Herzminutenvolumens, kommt es zu einem relativen Flüssigkeitsmangel. Zusätzlich werden wichtige Prozesse, die für die Blutströmung und Austauschprozesse in peripheren Kreislaufgebieten wichtig sind, durch folgende Faktoren gestört:

  • Vasoakative (gefäßaktive) Substanzen führen über eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität (Durchlässigkeit) zu einem Flüssigkeitsverlust ins das Gewebe ➜ Verstärkung des Flüssigkeitsmangels in den Gefäßen
  • Erythrozyten und Thrombozyten lagern sich in den peripheren Gefäßen zusammen (aggregieren) ➜ es kommt zu Mikroembolien (Verschluß kleiner Blutgefäße)
  • Aktivierung des Gerinnungssystems (Hämostase) ➜ extremer Verbrauch von Gerinnungsfaktoren (Verbrauchskoagulopathie)

Ein septischen Schock liegt vor, wenn folgende klinische Faktoren erfüllt sind:

  • Laktat-Konzentration: > 2 mmol/l im Blut
  • Vorliegen einer Hypotonie trotz adäquater Volumengabe, die den Einsatz von Vasopressoren erfordert, um einen MAD (mittlerer arterieller Blutdruck) von > 65 mmHg sicherzustellen

Zu den häufigen Ursachen der septischen Schockform zählen unter anderem:

  • Harnwegsinfektion (HWI)
    Infektionen der ableitenden Harnwege, hierzu zählen Harnröhre, Harnblase, Harnleiter und Nierenbecken
  • Pneumonie
    Bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) kommt es zu einer Entzündung des Lungengewebes und/oder der Lungenbläschen (Alveolen) durch eine Infektion mit Erregern wie Bakterien, Viren oder Pilzen
  • Galleninfektionen, Peritonitis (Bauchfellentzündung)
  • Infektionen
    Eintritt von Bakterien über Katheter, Implantate, Stents oder Prothesen

Patienten mit einer Abwehrschwäche unterliegen einem erhöhten Risiko, einen septischen Schock zu erleiden. Dies macht sich oft durch hohes Fieber, ggf. mit Schüttelfrost, bemerkbar. Nicht selten täuscht eine warme und gut druchblutete Haut über das Vorliegen des Schocks hinweg. Ein typisches Krankheitsssymptom sind Petechien (Hauteinblutungen) als Zeichen der Blutgerinnungsstörungen. Ebenfalls kann ein beschleunigter Herzschlag (Tachykardie) bei noch normalem Blutdruck vorliegen.

Erstmaßnahmen
  • gestörte Mikrozirkulation: Volumenersatztherapie ➜ großzügige i.v. Flüssigkeitssubstitution (z.B. isotone Kochsalzlösung)
  • Verbrauchskoagulopathie: ja nach Stadium ➜ Vorbeugung durch Heparingabe
  • Antibiotikatherpie: i.v. Antibiose sowie Suche und Sanierung der Infektionsquelle (z.B. durch Abstriche und Blutkulturen)

Anaphylaktischer Schock

Abstammung: altgriech.: aná = “aufwärts”, phýlaxis = “Beschützung”
Ursache: Maximalreaktion des Immunsystems auf eine bestimmte Substanz

Bei einem anaphylaktischen Schock kommt es zu einer starken Freisetzung von Histamin. Dies führt zu einer Vasodilatation (Gefäßweitstellung) mit Blutdruckabfall, Reduzierung des Herzminutenvolumens, Bronchokonstriktion (Verengung der Bronchien) und einer Erhöhung der Kapillarpermeabilität (Durchlässigkeit der Blutkapillaren).

Zu den Allergene, die häufig einen anaphylaktische Schockform auslösen gehören:

  • Arzneimittel
    z.B. Antibiotika wie Kurzinfusionen, HAES (Hydroxyethylstärke), Röntgenkontrastmittel, Insulin
  • Transfusionen
  • Inhalationsallergene
    Pollen, Hausstaub, Schimmelpilze und Tierhaare
  • Nahrungsmittelallergene
    Eier, Meeresfrüchte, Schalenfrüchte wie z.B. Nüsse
  • Insekten- und Schlangengifte
  • Allergene bei Hyposensibilisierungstherapie
    spezifische Immuntherapie um Allergiesymptome mittel- und langfristig zu verringern

Zu Beginn (direkt nach dem Allergenkontakt) äußert sich ein anaphylaktischer Schock beim Patienten durch Unruhe, Juckreiz, Niesen und Quaddelbildung der Haut. Anschließen kommt es zu Schwindel, Übelkeit mit Erbrechen, Druchfall, Fieber und Schüttelfrost, Angstzuständen. Lebensbedrohlich wird diese Schockform durch Luftnot mit vorliegendem Bronchospanmus (pathologische, anfallartige Verengung der Bronchien), durch ein Larynxödem (ödematöse Schwellung des Kehlkopfes) und durch eine Gefäßerweiterung (Vasodilatation) mit relativem Flüssigkeitsmangel.

Einteilung und Symptome

Der anaphylaktische Schock manifestiert sich innerhalb von Sekunden bis 20 Minuten nach Allergenkontakt und kann in zwei Schweregrade unterteilt werden:

SchweregradLebensgefahrSymptome
Grad 1neinHautrötung (Erythemen) und Ödemen (Quaddeln)
Grad 2jaJucken, Brennen, Hitzegefühl im Rachen und an den Akren (z. B. Nase, Kinn, Extremitäten, Finger, Zehen), Schluckbeschwerden, Hypersekretion, Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose
Erstmaßnahmen
  • Allergenzufuhr unterbrechen: z.B. Abbruch der Transfusion oder Infusion, Insektenstachel entfernen
  • Volumenersatztherapie: i.v. Flüssigkeitssubstitution, ggf. Druckinfusion indiziert
  • Kreislaufstabilisierung druch i.v. Gabe von Adrenalin
  • Gabe von Antihistaminika (Dimetinden) wie z.B. Tavegil®
  • hochdosierte i.v. Gabe von Glukokortikoiden ➜ membranstabilisierender Effekt geben erhöhte Kapillarpermeabilität
  • Bronchospasmus: Inhalation von Salbutamol AL® oder Terbutalin i.v. wie Bricanyl®
  • Larynxödem: Inhalation von verdünntem Adrenalin
  • Autotransfusionslagerung
  • Wärmeerhalt, Wärmesubstitution ➜ mit einer Wärmedecke
  • Gabe von Sauerstoff (O2), ggf. Intubation bei Verschlechterung der Atmung.

Neurogener Schock

Abstammung: altgriech.: neuron= “Nerv”, genēs = “entstanden”
Ursache: Neurogener Regulationsausfall von Kreislauf und/oder Vasotonus

Bei einem neurogenen Schock kommt es zum neurogenen Ausfall der Regulation von Kreislauf und/oder Vasotonus bei einer Schädigung des Nervensystems. Hierdurch kommt es zu einer Kreislaufinsuffizienz.

Zu den häufigen Ursachen der neurogenen Schockform zählen unter anderem:

  • Schädel-Hirn-Traumata (SHT)
  • Läsionen des Rückenmarks, Traumata
  • Intoxikationen des ZNS
  • wechselseitige Kreislaufafferenzen in der Medulla oblongata durch Angst, Stress, Schmerzen, fehlgesteuerte Nervus-Vagus-Reflexe

Beim neurogenen Schock entsteht durch die Unterbrechung der Nervenversorgung der Blutgefäße eine Vasoparalyse (Lähmung der Blutgefäßmuskulatur). Es kommt zu einer maximalen Weitstellung der Gefäße, die Gegenregulation des Sympathikus bleibt aus. Hierdurch kommt es zu einer funktionellen Hypovolämie (Verminderung der im Kreislauf zirkulierenden Blutmenge) mit Kreislaufinsuffizienz. Zum Vollbild dieser Schockform zählen:

  • Hypotonie (Weitgestellte Gefäße)
  • Anhidrose / Hypohidrose (Ausfall des Sympathikus)
  • Verlust / Einschränkung der Thermoregulation
Erstmaßnahmen

Die Maßnahmen richten sich überwiegend nach der auslösenden Ursache.

  • traumatischer Schädigung des ZNS: Gabe hochdosierter Glukokortikoide
  • Polytrauma: Sicherung der Atemwege, Beatmung, Kreislaufunterstützung durch Volumengabe
  • Intoxikationen des ZNS: toxische Quelle lokalisieren und beseitigen
  • Gabe von Sauerstoff (O2), ggf. Intubation bei Verschlechterung der Atmung

Orthostatischer Schock

Abstammung: altgriech.: orthos= “aufrecht”, stasis = “stehen”
Ursache: “Versacken” des Blutes in herabhängenden Körperteilen
Synonym: Hängetrauma

Bei einem orthostatischen Schock versackt das Blut in den Beinen und lebenswichtige Organe werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Steht ein Mensch beispielsweise aus liegender Position auf, kann dabei einer größere Menge Blut in den Venen der Beine versacken. Hierduch kommt es zu einer kurzzeitigen Verringerung des arteriellen Blutdrucks und des Herzminutenvolumens. Infolgedessen reagiert der Körper mit einer Verengung der Blutgefäße sowie mit einer erhöhten Herzfrequenz und der Ausschüttung von Katecholaminen.

Zu den Ursachen der orthostatischen Schockform zählen:

  • Schnelles Aufstehen z.B. aus liegender Position
  • langes Hängen in Gurten (Hängetrauma) z.B. bei Fallschirmspringern und Bergsportlern
Erstmaßnahmen
  • Bergung des Patienten ➜ erste 20 Minuten in aufrechter Position lagern
  • Autotransfusionslage
  • Überwachung der Atmung: ggf. Gabe von Sauerstoff (O2)

Video

Schock ist ein dramatisches und lebensbedrohliches Krankheitsbild. Aus einer Vielzahl von Ursachen führt Schock zu einer Mikrozirkulationsstörung und verminderter Sauerstoffversorgung von Organen.

Quellen

  • Titelbild: Erste Hilfe – Beatmung (Freepik.com – stefamerpik)
  • Schock. (o. J.). Amboss.com. Abgerufen 12. April 2023, von https://www.amboss.com/de/wissen/Schock/
  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.

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Stephan Wäsche
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Gesundheits- und Krankenpfleger
LWL-Klinik Hemer

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Von Stephan Wäsche

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